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Interview mit der Dragqueen: Olivia Jones über Hamburg ihre Perle

Von , 31. März 2015

Wir haben Euch bereits einen kompletten Reiseführer für die Stadt Hamburg mit der Hilfe von Olivia Jones zusammengestellt. Das Interview war allerdings so ausführlich, dass es für einen weiteren Post über die Perle Hamburg ausreicht und wir es Euch nicht vorenthalten möchten. Deshalb nun das Interview von Olivia Jones hier in seiner vollen Länge.

Was hat dich nach Hamburg gebracht?

Die Aussicht darauf, als Travestie-Künstler mehr arbeiten und besser leben zu können. Dafür brauchte es nämlich einen Ort mit besonders viel Offenheit und Toleranz. Und die gab’s vor 25-30 Jahren nur an ganz wenigen Orten in Deutschland. St. Pauli war einer davon – und ist es bis heute.

Warum bist du geblieben?

Weil diese Stadt für mich wirklich die schönste Stadt der Welt und St. Pauli einfach einzigartig ist.

Was sind deine Lieblingsorte in Hamburg?

Hafen und Strandpauli, die Reeperbahn nachts um halb eins und natürlich meine Bars. Ich liebe es, meinen Gästen beim Spaßhaben zuzuschauen. Es ist für mich auch nach all den Jahren immer noch ein großes Kompliment, wenn ich sehe, wie ausgelassen in meinen zweiten Wohnzimmern gefeiert wird.

Was macht die Reeperbahn zu so einem Touristenmagneten?

Natürlich der einzigartige Mix aus Kunst, Kultur, Nachtleben und Rotlicht. Es gibt für mich keinen vergleichbaren Stadtteil auf der Welt und ich habe ja wirklich das große Glück, schon viel herumgekommen zu sein.

Olivia Jones (c) www.olivia-jones.de

Was sollte man auf der Reeperbahn unbedingt gesehen/gemacht haben?

Natürlich eine Kiez-Tour mit mir oder einem anderen Guide aus unserer Olivia-Jones-Familie, eine unserer Party-Hafenrundfahrten und nachher feiern in meinen Bars. Dazu ein Besuch im St. Pauli Museum. Und ansonsten am besten treiben lassen. Für jeden Geschmack oder Geschmacklosigkeit ist auf St. Pauli ja etwas dabei. Und bevor man wieder abreist, muss man unbedingt noch einen Kaffee im Arcotel Onyx am Spielbudenplatz getrunken haben. Die haben da richtige Wiener Spezialitäten, die gut schmecken und ordentlich wach machen.

Was ist der eine Key Fact zu der Reeperbahn, den man in keinem Reiseführer findet?

Zu kurz kommt, dass St. Pauli nicht nur ein Viertel ist, in dem sich Menschen amüsieren können, sondern dass hier auch gearbeitet und gelebt wird. Das erklären wir auch immer den Gästen unserer Kiez-Führungen. Respekt vor den Menschen, die hier arbeiten und leben, darf halt auch bei denen nicht zu kurz kommen, die bei uns einfach nur Spaß haben wollen. Abseits von Reeperbahn, Herbertstraße und Großer Freiheit gibt es hier nämlich sehr viele verwunschene Gassen und wunderschöne Plätze mit tollen Altbauten, wo sogar viele Familien mit Kindern leben – in direkter Nachbarschaft zum Nachtleben und Rotlichtbetrieb. Ein ungewöhnliches und einzigartiges Miteinander, dass es hoffentlich auch noch lange geben wird. Wer mit Anwohnern ins Gespräch kommen will, dem empfehle ich übrigens einen Sommerbesuch auf unserem Mittwochs-Nachtmarkt auf dem Spielbudenplatz.

Wie würdest du die Reeperbahn beschreiben? Was macht die Reeperbahn besonders?

Der unvergleichliche Gästemix aus Jung, Alt, Zugezogenen, Touristen und alteingesessenen Kiezianern. Auf St. Pauli gibt es etwas für jeden Geldbeutel – vom überteuerten Champagner bis zum 1-Euro-Korn.

Olivia Jones(c) www.olivia-jones.de

Welche klassischen Nachtclubs sind in jedem Fall einen Besuch wert?

Das Moondoo und Angies Night Club. Außergewöhnlich ist auch der MoJo Club. Die Tore fahren nachts aus dem Boden heraus. Das ist schon ziemlich abgefahren. Und wenn das Kukuun bald wieder im neuen Clubhaus eröffnet, gibt’s hier auch wieder noch mehr kulturellen Hochgenuss.

Was ist dein Favorit unter den Travestie-Shows auf der Reeperbahn?

Es gibt leider nicht mehr viele, aber wir arbeiten dran – in »Olivias Show Club« oder mit der Kiez-Führung von Barbie Stupid und Lee Jackson.

Was sind die schönsten Ecken der Reeperbahn?

Sicherlich im Sommer der Spielbudenplatz. Da stellen die Locations ihre Liegestühle raus. Das ist dann wie ein einziges großes Sonnendeck. Und im Winter natürlich „Santa Pauli – Hamburgs geilster Weihnachtsmarkt.“

Olivia Jones Familie

(c) www.olivia-jones.de

Was erlebt man, wenn man die Reeperbahn zusammen mit dir besucht?

St. Pauli pur in seiner ganzen bunten Bandbreite und mit einer einzigartigen Sicht auf die Dinge. Jeder unserer Guides hat ja einen etwas anderen Blickwinkel: Wir haben z. B. Burlesque-Stars, Drag Queens, Kult-Koberer, Ex-Kiez-Größen, Schlager- und Party-Experten.

Bist du traurig, dass die Esso-Tankstelle und die Esso-Häuser abgerissen wurden? Oder freust du dich auf das Neue was da kommt?

Klar bin ich traurig. Viele St. Paulianer haben ein erschwingliches Zuhause verloren und die Esso-Tankstelle gehörte inzwischen ja auch zum Inventar, war sogar eine eigene Attraktion. Veränderung ist zwar wichtig, aber die Esso-Tankstelle war leider ein weiterer Höhepunkt einer instinktlosen Entwicklung, der inzwischen zuviel Altes zum Opfer fällt. Deshalb versuche ich ja auch mit meiner »Olivia Jones Bar«, »Olivias Show Club« und »Olivias Wilde Jungs« wenigstens etwas entgegenzusteuern und eine Art kreativen Denkmalschutz zu betreiben: Alles ehemalige einschlägige Etablissements. Und wir legen großen Wert darauf, dass man etwas von diesem verruchten Flair vergangener Tage auch heute noch sieht. Obwohl es bei uns natürlich inzwischen anständig unanständig zugeht. Aber es gibt ja zum Glück bei aller Veränderung auch Entwicklungen, die Mut machen: Die Rettung der Kult Kneipe Silbersack ist dafür ein gutes Beispiel.

Welche Plätze sollte man als Frau auf der Reeperbahn lieber meiden?

Die Zeiten, in denen man als Frau bestimmte Plätze meiden sollte, sind auch hier zum Glück vorbei. Die Emanzipation ist längst auch auf St. Pauli angekommen. Wir haben deshalb ja auch vor genau fünf Jahren mit »Olivias Wilde Jungs« einen Strip-Club aufgemacht, zu dem nur Frauen Zutritt haben und wo Männer mal das Objekt der Begierde sind.

Olivia Jones(c) www-olivia-jones.de

Worauf sollten Männer beim Besuch der Reeperbahn achten?

Dass, wenn sich freizügige Animierdamen zu einem setzen und sich einen ausgeben lassen wollen, es manchmal seeeehr teuer werden kann.

Weißt du woher der Name Reeperbahn stammt?

Ja, klar! Von den Reepschlägern. Das waren die, die die Schifftaue gedreht haben. Übrigens nicht nur auf der Reeperbahn. Die parallel verlaufene Seilerstraße zeugt vom Namen her noch deutlicher davon.

Wo findet man dich auf der Reeperbahn?

Natürlich vor allem in meinen Läden: Olivias Kiez Oase, meinem bunten Biergarten am Spielbudenplatz beim TUI Operettenhaus und in meinen drei Bars in der Großen Freiheit. Und fast überall, wenn ich mit meinem Kiez-Führungen unterwegs bin. Ich gehöre ja sozusagen zum Inventar und bin lebendes Fotomotiv.

Hast du die Davidwache schon mal von innen gesehen?

Ja! Weil ich einmal eine Protestaktion für die Tierschutzorganisation PETA gemacht habe und im Kentucky Fried Chicken im Hühner-Kostüm gewissermaßen verhaftet worden bin (lacht).

Welche Bars sollte man bei einem Besuch in Hamburg auf jeden Fall besuchen?

Die Bars im East Hotel. Und wenn man es etwas bodenständiger haben will, dann den Silbersack. Und natürlich die »Olivia Jones Bar« in der großen Freiheit.

Olivia Jones Bar (c) www.olivia-jones.de

3 Dinge die es nur in Hamburg gibt:

St. Pauli, die schrille Olivia-Jones-Familie und mich (lacht).

Woran erkennt man einen richtigen Hamburger?

Er ist geradeaus und hat sein Herz am richtigen Fleck.

Was ist dein/ein Lieblingsspot, den man in keinem Reiseführer findet?

Das bleibt mein unanständiges kleines Geheimnis.

Was sollte man unbedingt wissen, bevor man nach Hamburg fährt?

Es gibt ein so riesiges Angebot in Sachen Shows und Bars, dass man sich am besten schon vorher gut überlegen sollte, was man machen will und dann rechtzeitig Tickets und Tische reserviert. Gerade, wenn man St. Pauli in der Hauptsaison besuchen will.

Olivia Jones (c) www.olivia-jones.de

Kannst du unseren Usern ein Fisch-Restaurant in Hamburg empfehlen?

Der Fischereihafen ist meiner Meinung nach das beste, was wir haben. Aber ich lasse mich auch gerne vom Gegenteil überzeugen.

St. Pauli oder HSV? Oder beide?

Ich als Wirtin sehe das ganz pragmatisch: In meinen Bars sind alle feierfreudigen Fans willkommen. Jedenfalls so lange sie friedlich bleiben. Sonst muss ich streng werden. (lacht)

Liebe Olivia – wir bedanken uns sehr herzlich für das Interview und wünschen dir weiterhin viel Erfolg mit deinem Business auf der Reeperbahn sowie ganz aktuell mit deinem Kinderbuch „Keine Angst im Andersrum“.

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